Psychotherapeutische Praxis

Hajo Hamplewski

 

Wenn du dich mit dem gegenwärtigen Augenblick anfreundest, fühlst du dich zu Hause, wo immer du bist. Wer sich im Jetzt nicht zu Hause fühlt, wird sein Unbehagen immer mit sich herumtragen, wohin er auch gehen mag.


Eckhart Tolle




Achtsam (gegenwärtig, präsent) sein heißt, sich eines Gedankens, eines Gefühls, einer Sinneswahrnehmung, einer Tätigkeit im jeweiligen Moment bewusst zu sein. Das Gegenteil von Achtsamkeit ist Geistesabwesenheit.  Spüren Sie in diesem Moment ihren Körper, ihren Atem ? Sind Sie sich der Hintergrundgeräusche bewusst?

Wir vergessen es immer wieder: alles was geschieht, geschieht in der Gegenwart. Und die Gegenwart ist nicht mehr als der gegenwärtige Moment. Kaum ereignet er sich, ist er auch schon wieder vergangen. Die Vergangenheit existiert lediglich in Form von Erinnerungen: Gedanken und damit verbundene Gefühle - die sich auch wieder im Jetzt ereignen. Ebenso ist die Zukunft nicht existent. Auch sie findet nur in einem zukünftigen Moment in der Gegenwart statt. Optimistische oder pessimistische Gedanken an die Zukunft sind nicht die zukünftige Realität selbst sondern eben nur Gedanken - flüchtige geistige Phänomene, fiktive Vorstellungen, die wir leider oft mit der Realität verwechseln.

Oft ist psychisches Leiden nichts anderes als eine gedankliche Fixierung in der Vergangenheit oder Zukunft.  Gedanken über Vergangenes, darüber, was jemand oder man selbst besser nicht gesagt oder getan hätte, schuldhafte Gedanken und Gefühle, Bedauern über Entscheidungen und verpasste Chancen, was einem von anderen angetan wurde, oder das endlose Klagen, dass eine schöne Lebensphase der Vergangenheit angehört und nicht wieder zurück zu holen ist.

Doch auch alles in die Zukunft gerichtete Hoffen und Fürchten entfernt uns von der lebendigen Gegenwart. Wir können nur gut für uns selbst und andere da sein, wenn wir im gegenwärtigen Moment präsent sind.

Wer übt, achtsam zu sein, übt auch, sich den unangenehmen, schmerzhaften Erfahrungen des Lebens mitfühlend zu öffnen. Aber er wird auch die angenehmen Erfahrungen, die das menschliche Dasein mit sich bringt, mit mehr Dankbarkeit und Wertschätzung erleben.

Es ist relativ wertlos, sich theoretisch mit Achtsamkeit zu beschäftigen. Alle Worte, die über Achtsamkeit gesagt und geschrieben werden, können letzten Endes nicht vermitteln, was es heißt, achtsam zu sein. Auf dieser Ebene bleibt Achtsamkeit eine interessante Idee. „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es“ (Erich Kästner). Das gleiche gilt für Achtsamkeit.

Man kann Achtsamkeit formal üben, in einem bestimmten Kontext, indem man unter „künstlichen“ Bedingungen z.B. eine bestimmte Art der Sitzmeditation praktiziert. Und man kann Achtsamkeit im Alltag üben, in jedem Moment.  Es gibt keine Tätigkeit, aus der man nicht eine Präsenzübung machen könnte.

Wer Achtsamkeit übt, lernt, bei jeder Erfahrung, bei jeder Tätigkeit, als innerer Beobachter präsent zu sein. Dabei kommen wir mit einem Teil unseres Bewusstseins in Kontakt, den wir gewöhnlich übersehen. Wenn wir diesen Teil entdecken und wahrnehmen, erkennen wir, dass wir mehr sind als die Inhalte, die in unserem Bewusstsein aufsteigen, mehr, als unsere Gedanken und Gefühle.

 

Achtsamkeit